Wer in der Vergangenheit zugespitzte Schlagzeilen von einem deutlichen Bevölkerungsrückgang oder einer Deindustrialisierung Deutschlands las, wird von der vom Bundesverkehrsminister vorgestellten Verkehrsprognose überrascht worden sein. Ein massiver Anstieg des Transportaufkommens, nicht zuletzt im Straßengüterverkehr, steht laut der Experten in den nächsten drei Jahrzehnten zu erwarten. Wir stellen Ihnen einige der nicht nur in der Regierungskoalition heiß diskutierten Zahlen und Schlussfolgerungen vor.
Vier Prozent klingt nicht viel. Um vier Prozent soll bis 2051 aber „nur“ der Anteil des LKW am sogenannten Modal Split, also der Aufteilung von Transportdienstleistungen auf die unterschiedlichen Verkehrsträger, wachsen. Auf eine Steigerung von satten 54 Prozent werden die vom LKW erbrachten Güterverkehrsleistungen zwischen 2019 und 2051 taxiert.
Diese Zahlen stammen aus einer Prognose des Verkehrsministeriums, die vom in diesem Ressort verantwortlichen Bundesminister Volker Wissing Anfang März dieses Jahres vorgestellt wurde. Das unter dem etwas sperrigen Namen „Gleitende Langfrist-Verkehrsprognose im Auftrag des BMDV – ‚Prognose 2022‘“ veröffentlichte Dokument ist hier zu finden.
Die wichtigsten Ergebnisse für den Güterverkehr und den LKW-Transport auf einen Blick:
Selbstverständlich sind Prognosen, die einen Zeitraum von 32 Jahren umfassen hinsichtlich ihres tatsächlichen Eintreffens mit Vorsicht zu genießen. Viel kann und wird in Politik und Gesellschaft auf Mikro- und Makroebene in diesen drei Jahrzehnten passieren, was keiner vorherzusehen vermochte. Aber einerseits sind gewisse Trends für die nächste Phase mit Sicherheit aus solchen Studien abzulesen und andererseits stellen sie die Grundlage für Debatten und Entscheidungen in der Gegenwart dar.
Konsequenzen für die Infrastrukturmodernisierung
Fast parallel zur Veröffentlichung der Prognose begann der Kampf um die Deutungshoheit der Zahlen beziehungsweise setzten sich bestehende Interessenskonflikte fort – sei es in der Regierungskoalition und den Oppositionsparteien, aber auch im administrativen Teil von Bund und Ländern sowie bei den Lobbyverbänden des Verkehrssektors.
Dass beispielweise das Umweltbundesamt aus dem wachsenden LKW-Aufkommen keinen Impuls für einen beschleunigten Ausbau von Autobahnen herauslesen wollte, beißt sich mit den diametral gegensätzlichen Äußerungen des Bundesverkehrsministers. Wichtig bleibt es aber, um dem heute schon vielfach attestierten, so aber erst recht drohenden Verkehrschaos (auf den Straßen) mit innovativen, dabei angesichts der drohenden Klimakatastrophe nachhaltigen Lösungen zu begegnen. Nur mit einer Modernisierung der Infrastruktur scheinen die avisierten Warenvolumen künftig schnell, sicher und bezahlbar – noch immer das A und O in der Transportbranche – vom Absender zum Empfänger befördert werden zu können.
Digitales Optimierungspotenzial
Nicht zuletzt den bereits eingeführten und in Entwicklung befindlichen IT-Angeboten wird angesichts der physischen Notwendigkeiten beim Gütertransport eine bedeutende Rolle zukommen. Denn digitale Anwendungen ermöglichen einen smarteren Einsatz von Personal und Material, um Wartezeiten und Staus an Rampen, auf Straßen und an anderen neuralgischen Punkten der Lieferkette zu vermeiden.
Vielleicht ist mit den bereits angedachten oder sogar umgesetzten Lösungen, denken wir beispielsweise an den 3D-Druck von Produkten am Verwendungsort selbst oder den tatsächlich in Masse eingesetzten Lieferdrohnen, eine signifikante Entlastung nicht zuletzt der Straßen möglich. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz sowie das effiziente Management der im Güterverkehr entstehenden Informationen, Stichwort Big Data, offerieren sicher aber ebenfalls enormes Optimierungspotenzial.